Vortrag von Dr. Annette Jantzen zum Internationalen Weltfrauentag 2025

Referentin

Am Donnerstag, 6. März 2025 hatten die Maria 2.0 Gruppen aus Aalen und Schwäbisch Gmünd in Kooperation mit der Katholischen Erwachsenenbildung im Dekanat Ostalb (keb),  dem Religionspädagogischen Institut und der Stadt Schwäbisch Gmünd die Aachener Theologin und Autorin Dr. Annette Jantzen zu einem Vortrag in den Prediger eingeladen. Sie brillierte mit tiefem exegetischen Fachwissen und verstand es, den Blick der Zuhörer auf den Gott der Bibel mit fundierten Aussagen und Beispielen zu weiten. Gott ist in der Bibel viel mehr als Herr.

Luzia Gutknecht und Silke Weihing von Maria 2.0 in Aalen und Schwäbisch Gmünd, Ana Requesens-Moll, Leiterin der katholischen Erwachsenenbildung im Ostalbkreis, das religionspädagogische Institut, das Kloster der Franziskanerinnen der ewigen Anbetung und Elke Heer, städtische Beauftragte für Chancengleichheit hatten mit der Veranstaltung „Gott ist so viel mehr als Herr“ zum Internationalen Frauentag einen Nerv getroffen, denn viele Frauen und Männer zog dieses spannende Thema in das Refektorium im Prediger. Die vielfache Kooperation zeigte die Bedeutung der Fragestellung und die hohen Erwartungen an die eingeladene Referentin nach Inspirationen in der derzeitigen tiefen Kirchenkrise.

Luzia Gutknecht von Maria 2.0 stellte in einleitenden Worten den allgemeinen Kontext her mit ihrer Feststellung, dass die Rückkehr patriarchaler Strukturen weltweit erschrecke, ebenso wie die Frechheit der neuen Patriarchen, sich ausgerechnet auf die Bibel zu berufen. Diese gegen den Trend patriarchal-kritisch zu lesen, dafür bot Annette Jantzen eine differenzierte und humorvolle Anleitung.

Dr. Annette Jantzen, katholische Theologin und Buchautorin aus Aachen, sprach in ihrem exzellenten Vortrag über die vielfältigen und unendlich vielen Gottesbilder, die uns die Bibel anbietet. Ausgangspunkt ihres Vortrags bildete ihr Befremden darüber, dass in der neuen Einheitsübersetzung der Bibel über 6800 mal stereotyp und trommelfeuerartig Gott als „der Herr“ bezeichnet wird. Nicht der männliche Artikel für Gott sei das Problem, sondern dass mit dieser gehäuften herrscherlichen Gottesbezeichnung Über- und Unterordnung suggeriert wird. Denn wie wir von Gott sprechen, prägt unser Denken vom Menschen als Abbild Gottes und unser Weltbild.

Vortrag

Dass Menschen sich Bilder von Gott machen – die Bibel ist trotz dem jüdischen Bilderverbot voll davon – ist laut Annette Jantzen unvermeidlich und notwendig als Beziehungsangebot, doch wenn diese Bilder von Gott verabsolutiert werden - so ihre Deutung des jüdischen Tabus - fehle in der Folge leider ganz viel für die authentische und vertiefte Gotteserkenntnis.

Eine patriarchale Begriffsverengung Gottes demonstrierte die Referentin beispielhaft für die Geistkraft, die in der vorherrschenden Theologie als „der Geist“ seine ursprüngliche Dynamik einbüßte und zum „Aschenputtel der Dreifaltigkeit“ degenerierte. Bezugnehmend auf die hebräische Urschrift zeigte Frau Jantzen in atemberaubender Weise auf, wie die biblische göttliche Schöpferkraft „ruach“ sowohl als Wettersturm mit männlichem Artikel als auch als weiblich aufgefasstes lautes Atmen, das Assoziationen zu Geburt, Sex und Sterben zulässt, aufgefasst und mit Situationen, in denen Menschen sich überlassen müssen und Gotteserfahrungen machen, assoziiert werden kann. In ähnlicher Weise sei Barmherzigkeit als wichtiges biblisches Attribut Gottes im hebräischen Wortstamm in der Gebärmutter lokalisiert und dem Gebären als existenzieller Erfahrung von Frauen verwandt.

Ein verengtes Verständnis Gottes lässt aus Annette Jantzens Sicht vermissen, was lebendige und weit gefasste Bilder von Gott sein könnten: offene Beziehungsangebote und Fenster, durch die man wie Moses „das Dornbuschfeuer sieht“.

Annette Jantzens Kritik galt ebenso gravierenden Falschübersetzungen, z.B. im biblischen Buch Hosea. Der Prophet demonstriert das Problem des staatlichen Zerfalls infolge des Fehlverhaltens von Israel, indem er damals übliche männliche Strafhandlungen an einer untreu gewordenen Frau drastisch vorführte. Der dazugehörige Satz für Gottes bleibende Treue: „Gott bin ich und kein Mann“ wurde zu „Denn ich bin Gott und kein Mensch“ (Hos 11,9) verändert und die Patriarchatskritik getilgt. Durch Weglassen eines weiblichen „Spitzensatzes“ in der katholischen Leseordnung, der lautet: „Du bist die Gottheit, die mich sieht“ in Gen 16,13, wird außerdem eine frühe Theologin, nämlich die diskriminierte und versklavte Magd des Moses namens Hagar, die nach ihrer Aussetzung in der Wüste eine Gotteserfahrung machte, kurzerhand zensiert. Jedoch: „Unerwartetes ist das Heilige“ und „da wo eine Resonanz zustande kommt, wird es spirituell interessant“, stellte Annette Jantzen zur Bekräftigung ihrer theologischen Befunde zusammenfassend fest.

Die biblischen Bilder seien viel gleicher als es den offiziellen Anschein habe und sie kämen aus spirituellen Natur- und Einheitserfahrungen. Mit solchen weltzugewandten und weltbejahenden Gottesbildern machte sie den zahlreichen Besucher/innen Mut zur eigenen, freien und unkonventionellen Gottessuche. Auf sprachliche Debatten anspielend war sie sich sicher, dass Gott in seiner das unendliche All umfassenden Macht zu groß sei, um ein Problem mit einem weiblichen deutschen Artikel zu haben. Der Abend trug mit den theologisch fundierten, klugen und klaren Aussagen von Annette Jantzen viel zu einem reflektierten und vielfältigen Gottesbild bei. Eine gleichberechtigte und auf Zukunft ausgerichtete katholische Kirche braucht solche Deuterinnen der Schrift, die in dieser Offenheit einladen bei einer geschlechtergerechten Neuausrichtung dabei zu sein.

Publikum